Brandbrief zur schulischen Inklusion: Für staatliche Verantwortung und gegen Bildungsprivatisierung
Ein eindringlicher Appell aus der Praxis macht derzeit die Runde: Eltern, Lehrkräfte und Unterstützer*innen schlagen Alarm angesichts der dramatischen Situation schulischer Inklusion in Deutschland. Ihr Vorwurf: Der Staat zieht sich zunehmend aus der Verantwortung zurück und überlässt zentrale Aufgaben privaten Trägern. Leidtragende sind vor allem Kinder mit Förderbedarf, deren Recht auf Bildung systematisch untergraben wird.
Inklusion ist Menschenrecht – aber in der Praxis herrscht Chaos
Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben Anspruch auf Unterstützung im Schulalltag. Doch obwohl Schulen gesetzlich zur Inklusion verpflichtet sind, haben sie kaum Einfluss auf die Organisation dieser Unterstützungsleistungen. Die Verantwortung für Schulbegleitungen liegt bei den Eltern und wird über die Eingliederungshilfe oder Jugendhilfe geregelt. Damit wird die Verantwortung aus dem schulischen Bereich herausgelöst und auf andere Instanzen verlagert.
In der Folge übernehmen häufig externe Träger – darunter zunehmend gewinnorientierte Unternehmen – Aufgaben, die eigentlich zur Kernaufgabe des Staates gehören sollten. Die Auswahl an Anbietern ist begrenzt, gemeinnützige Träger sind die Ausnahme. Die Schulbegleitungen selbst sind oft prekär beschäftigt, schlecht bezahlt, unzureichend qualifiziert und wechseln häufig. Für die betroffenen Kinder bedeutet das: fehlende Verlässlichkeit, erschwerter Beziehungsaufbau und keinerlei Kontinuität.
Ein System der Verantwortungslosigkeit
Krankheitsbedingte Ausfälle oder unbesetzte Stellen führen immer wieder dazu, dass Kinder tagelang oder wochenlang ohne Unterstützung bleiben – mit der Folge, dass sie nicht am Unterricht teilnehmen können. Notfallpläne oder Springerpools gibt es kaum. Eltern, Kinder und Lehrkräfte sind mit der Situation weitgehend allein gelassen. Wer sich durch das Antragswesen und den Trägerdschungel kämpfen kann, hat Glück. Wer das nicht schafft, bleibt auf der Strecke. Es entsteht ein Zwei-Klassen-System.
Forderung nach Rücknahme der Privatisierung
Die Initiator*innen des Brandbriefs fordern deshalb eine klare Rückkehr zu staatlicher Verantwortung in der Inklusionsarbeit. Bildung sei eine öffentliche Aufgabe und müsse auch als solche organisiert und finanziert werden. Statt privater Vermittlungsfirmen brauche es feste multiprofessionelle Teams an allen Schulen – mit qualifizierten, fair bezahlten Fachkräften, die zum Schulalltag gehören und Verlässlichkeit schaffen.
Dabei sei längst bekannt, dass funktionierende Modelle existieren. Pilotprojekte zeigen, dass inklusive Strukturen möglich und für alle Beteiligten ein Gewinn sind – für Kinder mit und ohne Förderbedarf, für Lehrkräfte und für das gesamte Schulsystem. Dennoch werde die inklusive Schule immer häufiger als ideologisches Projekt diskreditiert, während Forderungen nach einer Rückkehr zum Förderschulsystem laut werden.
Die zentralen Forderungen im Überblick:
- Schulen sollen die volle Zuständigkeit für Schulbegleitung und Inklusion erhalten.
- Die Finanzierung muss über öffentliche Bildungsbudgets erfolgen, nicht über individuelle Teilhabeleistungen.
- Gewinnorientierte Vermittlungsstrukturen im Bereich Inklusion sollen abgeschafft werden.
- Der Ausbau multiprofessioneller Teams und fester Personalstrukturen an allen Schulen ist notwendig.
- Es braucht ein deutliches politisches Bekenntnis zur Inklusion als unverrückbares Menschenrecht.
Fazit: Inklusion braucht klare politische Entscheidungen
Der Brandbrief endet mit einem Appell an die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung: Schulen, Kinder und Familien dürfen nicht länger allein gelassen werden. Inklusion darf nicht dem freien Markt überlassen werden. Es braucht mutige politische Entscheidungen, um Bildung wieder zurück in die öffentliche Verantwortung zu holen – gerecht, solidarisch und zukunftsfähig.
Ein Hinweis in eigener Sache:
Als Kreisverband DIE LINKE haben wir kürzlich eine eigene AG Inklusion gegründet. Sie will genau hier ansetzen – Missstände sichtbar machen, Betroffene einbinden und gemeinsam mit Fachkräften, Eltern und Betroffenen Lösungen entwickeln. Unser Ziel ist es, konkrete Verbesserungen vor Ort anzustoßen und auf politischer Ebene für eine inklusive Schule zu kämpfen, die diesen Namen auch verdient. Wer mitarbeiten oder eigene Erfahrungen einbringen möchte, ist herzlich eingeladen, mit uns Kontakt aufzunehmen.
Foto: Symbolbild, erstellt mit KI (ChatGPT / DALL·E)